vom Weltverbessern, Entrümpeln, Konsumverzicht und Lebensglück ...

mein Blog vom Entrümpeln, Konsumverzicht, Ausmisten, Downshiften, Minimalismus oder so :) Bis zum Ende des Jahres sollen es 1.000 Teile weniger sein!

Mittwoch, 18. Februar 2015

Aufheben - nicht wegwerfen - und der Unterschied

Gestern Nachmittag habe ich auf der Suche nach einem ganz bestimmten Ordner mit Steuerunterlagen meinen kompletten Haushalt einmal umgegraben.
Eigentlich hatte sich mein Ablagesystem über die Jahre bewährt und den Suchradius für Steuerunterlagen immer auf einen ganz bestimmten Schrank in meinem Büro beschränkt.
Ein Rohrbruch in Kombination mit meinem Sohn, hat mir gestern aber dann eindrucksvoll die Mängel dieses Systems aufgezeigt, denn genau diesen Schrank gibt es in meinem Büro nicht mehr.
Nachdem ich in den letzten Tagen dann an den Stellen gesucht hatte, die die Logik vorschrieb, gab ich auch dieses System auf und wühlte mich gestern auf dem Dachboden und in sämtlichen Zimmern durch sämtliche Kartons und Kisten.
Ich muss eingestehen, dass ich einige Steuerunterlagen fand - aber nicht vom gesuchten Jahr.
Aber immerhin gibt es jetzt wieder eine zentrale Anlaufstelle für künftige Suchen.
Ich löste gestern einige Kartons und Kisten auf, füllte meine Altpapiertonne und fluchte wie ein Bauarbeiter.
Obwohl ich jetzt gar nicht weiß, ob die so herzhaft fluchen.
Egal, ich fluchte, bis ich dann völlig beglückt mit dem gefundenen Ordner durch das völlig verwüstete Haus tanzte.

Zwischendrin stieß ich immer wieder auf gut "nach hinten" geschobene Kisten und Kartons, die ich lange Zeit nicht öffnen wollte, da sie schlicht zu Schuldgefühlen, Trauer und Sehnsucht der unerfüllbaren Art führten.
Immerhin weiß ich nun, dass ich diese Kisten nun nach und nach "sichten" kann.
Da ich damals alles nur schnell in die Kisten gestopft hatte, besteht der Inhalt derzeit nämlich aus Kram.
Und erst durch Sichten und Sortieren wird aus Kram das eine oder andere Erinnerungsstück.
Damals hatte ich in kurzer Folge eine Trennung, den Tod meines Vaters und einiger guter Freunde, sowie den Umzug aus Köln hinter mich/uns gebracht.
Ich gehör(t)e zu denen, die nichts wegwerfen können - aber damals gehörte ich auch zu denen, die allein beim Anblick der Rechnung eines Kinderbettes plötzlich einen Weinkrampf erlitten und 2 Tage nur einen Wand anstarren und leise schluchzen konnten.
Ein Zustand, der einen weder in der Arbeit, noch der Mutterschaft wirklich weiter bringt.
Also wurde die Vergangenheit in einem Kraftakt resolut in Kisten gestopft und diese Kisten dann nur noch verschlossen durch die Gegend geschubst.
Pandora hat nur eine Büchse ...
Ich hatte einen Dachboden voller Kisten.

Das Unbehagen ging so weit, dass ich sogar Daten ausblendete.
Mir fiel irgendwann auf, dass ich zwar den Todestag meines Vaters kannte, nicht aber das Jahr in dem er abgestürzt war.
Auch mein Scheidungsdatum war mir völlig unbekannt - was im Rahmen einer Steuererklärung ungut ist ...
Gestern also die Konfrontation mit beiden Daten und es setzte nicht das altbekannte graue Rauschen in meinem Schädel ein, sondern ein "achja!"
Mit einem leisen Grinsen sank ich auf eine der Kisten nieder und begriff, dass ich all dem Kram nun gewachsen bin.
Damals dachte ich, dass ich "all das" ohne meinen Vater doch gar nicht schaffen könnte.
Und dass ich meinen Kindern mit der Trennung von ihrem Vater das Leben ruiniert hätte.
Nun weiß ich, dass ich "all das" durchaus schaffen kann und dass ich allein schon durch meine Erinnerungen ja niemals "ohne meinen Vater" bin. Oder ohne meine Tante. Die beiden sind gestorben, ja. Viel zu früh und ich vermisse sie - aber eben nicht schmerzlich, sondern angefüllt mit wunderschönen Erinnerungen, die mir noch heute Kraft und Zuversicht geben.
Und meine Ehe - wir haben es geschafft, ohne Krieg und Trümmer zu einer Freundschaft zu gelangen.
Jetzt weiß ich, dass man Kindern damit auch sehr viel geben kann.
Und ich weiß nun auch, dass man Kindern gar nicht soooo irre viel geben muss, ruhig auch mal ein wenig patzen kann ... denn auch Kinder können einiges aus sich selbst holen und aus einem "gut gemeint" fast so viel Kraft schöpfen wie aus einem "super gemacht!".
So lange man es als Mutter aus Liebe tut, darf man ruhig auch stolpern, straucheln, ein wenig ungerecht herumschreien und Fischstäbchen anbrennen lassen.
Echt, das stecken die weg.

Langer Worte, kurzer Sinn:
ich freue mich ein wenig darauf, in den nächsten Monaten aus Kisten voller Kram Erinnerungsstücke herauszuwühlen, ihnen einen netten Rahmen zu verpassen und den restlichen Ballast dann endgültig zu entsorgen.






4 Kommentare:

  1. Danke für diesen Beitrag, der Text hat mir gerade sehr aus der Seele gesprochen. Eben noch habe ich mich durch alte Tagebücher gewühlt und zum ersten mal den Mut und Wunsch verspürt sie zu lesen. Den Todestag meines Vaters hatte ich damals nur farbig im Kalender angemalt. Ohne ein Wort schreiben zu können.. ach und danke für die Ermutigung zu verbrannten Fischstäbchen ;-)

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  2. Gut gemacht, Carola. Die Zeit heilt doch alle Wunden. Man muß nur lange genug warten, das hast Du jetzt selber erlebt. Ich hatte allerdings diese Probleme nicht, da ich mich nur mit meinen Kleidern aus meiner Ehe verabschiedet hatte.
    Das hat durchaus seine Vorteile. Erinnerungsstücke konnten mich nicht zum Weinen bringen, da ich keine hatte. ;-)

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  3. Gut gemacht. Dein Beitrag bestätigt mein Gefühl, dass es zum Entrümpeln den richtigen Zeitpunkt braucht. Nämlich, wenn man endlich loslassen kann. Vorher ists schwierig. Alle Gute dabei, weiterhin. lg suchathe

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  4. Hallo, bin gerade zufällig über deinen Blog gestolpert und werde jetzt sicher öfter vorbeischauen. Dein Schreibstil gefällt mir und Entrümpeln ist auch bei mir zuhause immer wieder Thema, und gar nicht sooo leicht, wenn ich ehrlich sein soll.
    Liebe Grüße aus Graz
    Reboka

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